Mythen und Legenden rund um die Mehrsprachigkeit

Wenn du mehrere Sprachen sprichst und Kinder hast, hast du sicherlich schon oft Ratschläge und Empfehlungen zum Thema Zweisprachigkeit bekommen. In der Regel sind es immer die Menschen, die am wenigsten darüber wissen, die sich am ehesten berechtigt fühlen, Ratschläge darüber zu geben.
Welche von diesen hast du schon gehört?

Zweisprachige Kinder beginnen später zu sprechen als andere

Wenn du zu Hause mit deinem Kind deine Sprache sprichst, verwirrst du es

Du musst warten, bis dein Kind die erste Sprache gut beherrscht, bevor du die zweite einführst

Du musst ja nur deine Sprache mit deinem Kind sprechen

Jedes Elternteil sollte nur seine eigene Sprache sprechen

Und ich wette, du kennst noch viele weitere! Spoiler: Es sind alles unberechtigte, falsche Mythen.
Das Schlimmste daran ist, dass sie manchmal von Autoritäten stammen, denen wir vertrauen, wie Ärzten oder Lehrern, die zwar Experten auf ihrem Gebiet sind, aber keine Spezialisten für Zwei- oder Mehrsprachigkeit sind.

Lass uns diese Legenden über Zweisprachigkeit anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse – und meiner direkten Erfahrung mit vielen mehrsprachigen Familien – eine nach der anderen widerlegen.

Was sagt die Wissenschaft über mehrsprachige Familien?

Stimmt es, dass Zweisprachigkeit die Sprachentwicklung verzögert?

Zunächst einmal kann es auch bei einsprachigen Kindern erhebliche Unterschiede in der Sprachentwicklung geben. Tatsächlich zeigen wissenschaftliche Daten, dass zweisprachige Kinder etwas später zu sprechen beginnen können, aber dann in beiden Sprachen schnell aufholen.

Früher zählte man die Wörter, die das Kin in einer Sprache kannte und kam dann zu dem Schluss, dass es eine Verzögerung habe. Diese Art der Analyse macht jedoch keinen Sinn: Heute zählen Logopäden alle Wörter in allen Sprachen der Familie zusammen.
Beispielsweise gehören sowohl das Wort „gatto” als auch „cat” oder „Katze” zum Gesamtwortschatz des Kindes.

Eine Vielzahl von Studien, die auf dieser Grundlage durchgeführt wurden, belegen, dass das Aufwachsen mit mehreren Sprachen die kognitive Entwicklung in keiner Weise verzögert, und bestätigen Folgendes:

Es gibt keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass zweisprachige Kinder in irgendeiner Weise benachteiligt sind.

Im Gegenteil, die zahlreichen Vorteile der Zweisprachigkeit, die den Geist, die Kultur und die Beziehungen bereichern, sind offensichtlich.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Ein zweisprachiges Kind durchläuft langsamere und schnellere Phasen (genauso wie einsprachige Kinder) und kann mehrere Sprachen gleichzeitig erwerben – ohne davon verwirrt zu sein. Und das bringt uns zum nächsten Mythos.

Sind Kinder verwirrt, wenn sie mehreren Sprachen ausgesetzt sind?

Die Antwort lautet NEIN. Bereits im Mutterleib sind Kinder in der Lage, zwischen den Lauten der Sprache ihrer Mutter und den Lauten einer anderen Sprache zu unterscheiden. Die Fähigkeit, eine oder mehrere Sprachen zu erwerben, ist angeboren.

Kinder, die in einem Umfeld aufwachsen, in dem mehrere Sprachen gleichzeitig gesprochen werden, haben keine Schwierigkeiten damit. Sie lernen sie auf natürliche Weise und ohne Verwirrung. Für sie haben Menschen, die eine andere Sprachen sprechen, einfach eine andere Besonderheit, so wie auch Stimmen, Gesten oder Ausdrücke unterschiedlich sind.

Es ist bekannt, dass mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in ihrem Alltag aktiv mindestens zwei Sprachen spricht. Denke an Länder wie die Schweiz, wo es in vielen Kantonen normal ist, zu Hause und außer Haus täglich Französisch, Deutsch und Italienisch zu sprechen. Das Gleiche gilt für Belgien, Spanien, aber auch für Teile Italiens wie Südtirol.

Außerhalb Europas gilt dies umso mehr: In vielen Ländern Asiens, Afrikas, Nord- und Südamerikas sowie Australiens werden seit Jahrhunderten die Muttersprachen zusammen mit den durch die Kolonialisierung eingeführten Sprachen gesprochen. Drei, vier oder sogar fünf Sprachen zu sprechen, ist keine Seltenheit.

Für Milliarden von Menschen ist es normal, täglich mehrere Sprachen zu sprechen, und all diese Menschen sind definitiv nicht verwirrt aufgewachsen.

Ein zweisprachiges Kind ist kein verwirrtes Kind, sondern ein sehr glückliches Kind!

Ist es besser, zu warten, bis das Kind die erste Sprache gut spricht, bevor man die zweite einführt?

Auch hier lautet die Antwort NEIN. Es ist ideal, Kinder so früh wie möglich mit der zweiten Sprache in Kontakt zu bringen, da die Fähigkeit zum Spracherwerb in der frühen Kindheit am größten ist.
Umso später man beginnt, desto weniger wird die Sprache erworben und desto mehr wird sie (wie in der Schule) erlernt, wodurch der Prozess weniger natürlich und mühsamer wird.

Das heißt nicht, dass es für dich zu spät ist. Fang jetzt gleich mit kleinen Schritten an: Kinderreime, Lieder, Spiele oder Vorlesen in der zweiten Sprache.

Wenn du nicht weißt, wie du den Sprachinput in deiner Familie gestalten sollst, komm zu mir und buche meine persönliche Beratung für mehrsprachige Familien.

Reicht es aus, mit dem Kind in zwei Sprachen zu sprechen, damit es zweisprachig wird?

Natürlich ist es wesentlich, dass das Kind Input in zwei Sprachen erhält, aber das allein reicht nicht aus.
Der Sprachinput muss ausgewogen sein, mit angemessener Qualität und Vielfalt.
Der Elternteil, der die Minderheitensprache vermittelt, spielt eine entscheidende Rolle: er muss Situationen schaffen, in denen das Kind motiviert ist, in dieser Sprache zu interagieren.

Wenn das Kind mehr Input in der Umgebungssprache erhält, die im Kindergarten, am Spielplatz und im Supermarkt gesprochen wird, kann diese Sprache zur dominanten und bevorzugten Sprache des Kindes werden. Der Trick besteht darin, einen Ausgleich zu schaffen, indem man die Minderheitensprache auch in das Spielen, Lesen und die täglichen Aktivitäten einfließen lässt.

Genau das ist einer der Grundpfeiler der LingFLoWS®-Methode, die Familien dabei unterstützt, ihr sprachliches Gleichgewicht zu finden.

Hast du es schon ausprobiert, schaffst es aber nicht, konsequent zubleiben? Dann kontaktier du mich für ein kostenloses Kennenlerngespräch.
Gemeinsam können wir eine nachhaltige Strategie für deine mehrsprachige Familie entwickeln.

Ist die OPOL-Methode der einzige Weg, um ein Kind zweisprachig zu begleiten?

Es gibt kein Patentrezept, das für alle Familien geeignet ist, aber die OPOL-Methode (One Person, One Language) ist eine Lösung, die funktionieren kann. Jeder Elternteil spricht mit dem Kind nur seine Sprache. Wenn es die Situation der Familie zulässt und beide Elternteile sich damit wohlfühlen, ist dies eine hervorragende Methode, die mit Sicherheit zum gewünschten Ergebnis führt.

Aber was, wenn OPOL in meiner Familie nicht funktioniert?

Wenn du die einzige Person in der Familie bist, die die Minderheitensprache weitergibt, und du auch die Umgebungssprache sehr gut beherrschst, könnte es sein, dass die OPOL-Methode nichts für dich ist. Außerdem weiß dein Kind ganz genau, dass du beide Sprachen verstehst, und könnte deine Sprache als forciert empfinden. Aber du musst nicht den ganzen Tag zu 100 % deine Sprache sprechen.
Du kannst auch bestimmte Momente (z. B. die Einschlafbegleitung oder gemeinsame Aktivitäten am Wochenende) wählen, um die Minderheitensprache auf natürliche Weise und mit Leichtigkeit weiterzugeben.

Du weißt nicht, wo du anfangen sollst? Buche ein kostenloses Treffen mit mir und wir finden gemeinsam heraus, welcher Ansatz für deine Familie am besten geeignet ist.