Was sollte man bei der Erstellung von Texten beachten, die später übersetzt werden sollen?
Dieser Beitrag erschien bereits im April 2022 auf der Website meines Übersetzerinnenteams Translators4Industry.
Der italienische Autor und Übersetzer Italo Calvino hat einmal (sinngemäß) gesagt, dass der Übersetzer der beste Leser eines Werks ist und dem Schriftsteller dabei helfen kann, genau zu verstehen, was er geschrieben hat und warum. Vier Augen sehen einfach mehr als zwei, und Übersetzeraugen sehen (fast) alles. Deshalb sind mir meine Kunden immer dankbar, wenn ich als Übersetzerin Fragen stelle oder auf Ungereimtheiten im Ausgangstext hinweise.
Nach vielen Jahren Arbeit als Fachübersetzerin kann ich Calvinos Behauptung bekräftigen: Eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Verfasser (oder technischen Redakteur) und dem Übersetzer ist die Grundvoraussetzung für einen gelungenen Text. Das hat selbstredend auch Vorteile für die Leser oder Endkunden. Man kann also sagen: Machen Sie Ihre Übersetzerin glücklich, denn wenn die Zusammenarbeit mit ihr gut ist, freut sich auch Ihr Kunde! Und nebenbei sparen Sie Zeit, Geld und nicht zuletzt Nerven.
Damit Übersetzer:innen gut mit Ihrem Text arbeiten können und die Übersetzung gelingt, können Sie bereits im Vorfeld die richtigen Weichen stellen. Im Folgenden einige Tipps dazu, was es zu vermeiden und was es zu beachten gilt.
Wie mache ich meinen Übersetzer unglücklich?
Wenn Sie Ihre Fachübersetzerin unglücklich machen wollen, dann schicken Sie ihr eine PDF-Datei. Das portable-data-Format wurde nicht dazu entwickelt, um verändert zu werden – im Gegenteil. Genau deshalb ist es auch sehr aufwändig, einen editierbaren Text daraus zu gewinnen, diesen Text zu übersetzen und danach die Formatierung und das Layout in Word wiederherzustellen. Dabei entsteht nicht nur mehr Arbeit, sondern auch eine Datei, die niemals die gleiche Qualität der Ausgangsdatei haben wird. Das Ergebnis: schlechtere Qualität, höhere Kosten. Und eine unglückliche Übersetzerin.
Wie mache ich meinen Übersetzer todunglücklich?
Schicken Sie ihm eingescannte Dokumente.
Bei PDF-Dateien, die nicht digital gedruckt wurden, sondern aus einem Scanner stammen, oder schlimmer noch Bild-Dateien wie JPG, TIF oder PNG, ist der Bearbeitungsaufwand noch größer, weil jede Seite einzeln konvertiert werden muss. Dabei werden viele Wörter oder Buchstaben nicht richtig erkannt und müssen manuell korrigiert werden. Bilder, Tabellen und Layout müssen stark bearbeitet und Eigennamen, Zahlen und Ähnliches zusätzlich überprüft werden. In einem Wort: ein Graus.
Fazit: Übersetzer benötigen editierbare Dateien
Wie mache ich meinen Übersetzer glücklich?
1. Einsprachige Dateien vorbereiten
Das klingt eigentlich einleuchtend, aber oft erhalte ich Dateien, in denen nach einem Abschnitt auf Deutsch ein Abschnitt auf Italienisch kommt. Das soll vermeintlich eine Hilfe sein. Doch leider behindern diese Mischtexte den Übersetzungsprozess. Deshalb gilt: eine Datei, eine Sprache. Die anderssprachigen Referenzdateien beachte ich sehr gerne (ich bitten auch immer darum), es sollten aber separate Unterlagen sein.
2. So viel Kontext wie möglich liefern
Das Übersetzen von einzelnen Wörtern oder Wortgruppen ohne Kontext erfordert langes Recherchieren und zwingt mich, viele Fragen zu stellen. Besonders arbeitsintensiv sind lange Listen, z. B in Excel-Dateien, die einzelne Benennungen oder halbe Sätze enthalten. Ohne den Kontext, in dem die Übersetzung später stehen wird, kann ein Übersetzer nicht fachgerecht arbeiten oder läuft sogar Gefahr, Fehler einzuarbeiten.
3. In Excel-Dateien Sätze nicht auf mehrere Zellen verteilen
Ich arbeite mit moderner Software, die den Übersetzungsprozess unterstützt. Hierbei handelt es sich nicht um maschinelle Übersetzungssoftware, sondern um Programme, die den Übersetzer bei seiner Arbeit helfen. Werden Sätze über mehrere Zellen verteilt, wird der Aufwand viel größer. Beispielsweise kann es sein, dass die Reihenfolge der Wörter in der Zielsprache anders ist als im Original, so dass die Übersetzung der Zelle 1 in die Zelle 2 geschrieben werden muss.
4. In Word-Dateien Formatvorlagen benutzen
Titel, Untertitel, Index, Bildunterschriften usw. sollten nicht manuell formatiert (Schriftart, Schriftgrad, Fett, Kursiv usw.), sondern mit Formatvorlagen gepflegt werden. Das macht den Text nicht nur schöner und übersichtlicher, sondern auch die Übersetzung flüssiger. Man kann beispielsweise ganz schnell und automatisch einen Index erstellen und diesen nach der Übersetzung genauso schnell aktualisieren, ohne die Seitenzahlen manuell anpassen zu müssen.
5. Die richtige Spracheinstellung vornehmen
In Word, InDesign und vielen anderen Programmen kann man die Sprache des Textes einstellen, um eine Rechtschreibkontrolle durchzuführen und die Silbentrennung zu aktivieren. Ist zum Beispiel ein italienischer Text auf die deutsche Sprache eingestellt, wird auch nach den deutschen Regeln getrennt, und das führt mit Sicherheit zu Fehlern.
6. Word nicht wie eine Schreibmaschine benutzen
Viele Personen nutzen Word noch wie eine herkömmliche Schreibmaschine und setzen zum Beispiel mehrfach Absatzzeichen ein, um auf eine neue Seite zu kommen, oder unzählige Leerzeichen, um zum Ende der Zeile zu gelangen. Das ist nicht nur aufwändiger, sondern führt auch zu arbeitsintensiven Verschiebungen, sobald der Text verändert wird. Beim übersetzen verändert sich darüber hinaus auch der Umfang des Textes. Unnötige Leerzeichen oder mehrfache Absatzzeichen müssen dann im Anschluss manuell korrigiert werden, um das Layout des Originals wiederherzustellen.
7. Abbildungen lokalisieren
Vor allem bei Handbüchern enthalten Bilder oft Texte, die nicht editierbar sind. Handelt es sich um Grafiken oder Abbildungen, die ursprünglich mit Excel oder PowerPoint erstellt wurden, sollten diese Dateien zur Verfügung gestellt werden, um die Texte übersetzen und anpassen zu können.
Bei Bildschirmansichten muss manuell eine Legende hinzugefügt werden, die übersetzt werden kann. Idealerweise sollte man die Screenshots der bereits lokalisierten Bildschirmansichten zur Verfügung zu stellen. Außerdem sollten Sie Bilder aus Ihrem Handbuch nicht löschen, um die Datei zu verkleinern. Übersetzer:innen brauchen so viel Kontext wie möglich.
8. Terminologie pflegen
Terminologie ist ein sehr weites Feld. Am Anfang steht die Grundregel „Eine Bedeutung, eine Benennung“. Sprich: ein Objekt, ein Name. Benutzen Sie für ein Konzept nicht mehrere Wörter und für ein einziges Bauteil nicht mehrere Namen, sondern legen Sie (möglichst auch betriebsintern) einen Begriff fest, der verwendet werden soll.
So können Sie für sich oder für Ihren Betrieb ein Glossar pflegen, in dem steht, welche Begriffe für welche Konzepte oder Objekte benutzt werden sollten und welche dagegen verboten sind. Dieser Ansatz ist auch die Grundlage meines Übersetzungsprozesses.
Tipp: Fügen Sie Ihrem Text ein kleines Lexikon für Ihre Kunden und Leser hinzu – sie werden es Ihnen danken!
Tipp für Fortgeschrittene: Pflegen Sie einen internen Styleguide, in dem Sie festhalten, welchen Stil Ihre Texte haben sollen (z. B. formell oder informell), welche Anrede Sie bevorzugen, welches Datum- und Zahlenformat, und noch vieles mehr. Das schafft ein einheitliches Bild in Ihrer Kommunikation, das den Wiedererkennungswert Ihrer Marke steigert.
9. Adobe InDesign-Dateien für die Übersetzung vorbereiten
Indd-Dateien können besondere Schwierigkeiten bei der Übersetzung bereiten. Darüber habe ich bereits in meinem Artikel „InDesign-Dateien übersetzen“ berichtet.
Fazit 2: Übersetzer brauchen gut strukturierte und formatierte Dateien und so viel Kontext wie möglich
Haben Sie weitere Fragen? Schreiben Sie mir, ich helfe Ihnen gerne!